SoundVision and Noise   -   Interview mit Lothar Segeler

Wie viel Prozent der Wirkung eines Filmes entsteht nicht durch die visuelle Beeinflussung sondern durch den Ton? Auch wenn die Meinungen darüber weit auseinandergehen, ist es doch eine Tatsache, dass die Bedeutung des Tons bei der Filmproduktion oft sträflich vernachlässigt wird. Dabei sind: die knisternde Stille, die Spannung erzeugt, das Geräusch, das aufweckt, die Mischung in Dolby Digital 5.1 die den Raum im Kino zum Leben erweckt, alles Bereiche des guten Tons.

Einer der in dieser Welt des Klanges zuhause ist, ist der Tonmeister Lothar Segeler. In der Kölner Südstadt leitet er das innovative Unternehmen „SoundVision“. Kreative Visionen sind die Herausforderungen die zu Ergebnissen wie: 5-Kanal-Mikrophonie, DVD-Mastering oder die Dolby Digital 5.1 Kinomischung führen. SoundVision fördert junge Filmemacher und Absolventen der Kunsthochschule für Medien. Deshalb ist nicht erstaunlich, dass auch „das weisse Rauschen“ von Hans Weingartner bei SoundVision gemischt wurde.

 

Thomas Nowara: War „Das weisse Rauschen“ der erste DV Film der von Ihnen gemischt wurde?

Lothar Segeler: Nein, wir haben einige Dokumentationen für das Fernsehen in Stereo gemischt, die auf DV gedreht wurden. „Das weisse Rauschen“ ist allerdings der erste abendfüllende Kinofilm,  dessen Ausgangsmaterial DV war und den wir dann in Dolby Digital 5.1 gemischt haben.

Thomas Nowara: Wodurch hat er sich (tonmäßig) von anderen Kinofilmen unterschieden?

Lothar Segeler: Der Regisseur Hans Weingartner hatte von Anfang an genaue Vorstellungen über die Tongestaltung. Insbesondere in den Szenen bei denen die Schizophrenie des Protagonisten ausbricht und spürbar wird, sollten Stimmen von allen Seiten hörbar werden und den Zuschauer (-hörer) dessen veränderten Bewusstseinszustand miterleben lassen. Außerdem sollten in einigen Szenen das Unwohlsein durch Subtöne erhöht werden. Ursprünglich sollte die Produktion 4-kanalig in die Kinos kommen. Aber als ich von den Ideen des Regisseurs und den Möglichkeiten, die dieser Film für die Tongestaltung bietet, hörte, wollte ich unbedingt diesen Film 6-kanalig mischen. Gemeinsam  mit der Produzentin Annette Pisacane von Cameo fanden wir dann einen Weg auch für das gegebene Budget eine 5.1-Mischung herzustellen.

Hier war es also nicht nur möglich mit der digitalen Technik einen brillanten Sound zu erzielen, sondern die Mehrkanaltechnik bot mir die Gelegenheit in das Gefühlsleben der Figuren einzutauchen und den Kinogänger auf diese Reise mitzunehmen.

Thomas Nowara: Was für einen akustischen Look wollte der Regisseur für seinen Film?

Lothar Segeler: Hans wollte keinen hochglanzpolierten Sound. Das hätte auch überhaupt nicht zum Look dieses Films gepasst. Ich schlug ihm vor, die eher dokumentarisch wirkenden Szenen minimalistisch zu bearbeiten und ihnen einen zum Videolook passenden einfachen Sound in Mono zu geben. Die Schlüsselszenen, meistens subjektive Passagen des Hauptdarstellers Daniel Brühl, sollten dann mit allen Möglichkeiten des 6-kanaligen Sounds aufwarten, so wie sie der Sounddesigner Uwe Dresch vorbereitet hatte. Durch diesen akustischen Kontrast wurde der Eindruck dieser Szenen nochmals überhöht. Dazu gehörten die schon beschriebenen Stimmen aus allen Richtungen, die Subtöne und eine „Wall of Sound“, d.h. zur Erzielung großer Klangdichte und Lautstärke wurden die wichtigsten Töne auf alle drei Frontlautsprecher gelegt. Das führt sicher zu extremen Ergebnissen, war aber genau so gewünscht und deckt sich mit der Erlebniswelt des Protagonisten. Einige der besten Kommentare bekamen wir von Betroffenen, die uns verblüfft schilderten, wie sie sich in diesem Film wiederfinden konnten und das, was sich in ihren Köpfen abgespielt hat.

Thomas Nowara: Was waren die Schwierigkeiten bei diesem Projekt?

Lothar Segeler: Sicherlich ließ die Qualität vieler O-Töne zu Wünschen übrig. Wir machten allerdings aus der Not eine Tugend und ließen sie in den dokumentarisch „Dogma“ ähnelnden Szenen ziemlich roh, und konzentrierten uns dann umso mehr auf die Schlüsselszenen. Das Arbeiten an so einem intensiven Film stellte sich als äußerst nervenaufreibend heraus. Wenn man sich den ganzen Tag bei der Mischung in das Innenleben eines Schizophrenen versetzt, fängt man nachher selber an Stimmen zu hören.

Dieser Film ist mit Sicherheit nicht einfach und kein pures Vergnügen, aber es ist ein Film den man sich anschauen sollte, ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst.

Thomas Nowara: Gibt es bei DV im Tonbereich  besondere Schwierigkeiten oder vielleicht auch Vorteile im Vergleich zu anderen Formaten?

Lothar Segeler: Wie mit anderen Videoformaten auch, lassen sich hier hervorragende Aufnahmen machen, solange man sich nicht auf das Kameramikro beschränkt und ordentlich pegelt. Der Vorteil liegt sicherlich, wie beim Bild, im schnellen unkomplizierten Einsatz der DV-Kameras.

Thomas Nowara: Wie schätzen Sie die Bedeutung des DV Formates für die professionelle Produktion ein?

Lothar Segeler: Kinofilme, im DV-Format aufgenommen, werden sicher auch weiterhin eine Ausnahme bilden. Sie bieten allerdings bei entsprechendem Thema, wie in diesem Fall, überhaupt erst die Möglichkeit einen solchen Film umzusetzen. Ganz abgesehen vom Budget, wäre dieser Film in 35mm so nicht realisierbar gewesen.